Apothekerin Dr. Inka Krude
Man muss auch in die Pötte kommen
Im Jahr 2003 übernahm Dr. Inka Krude die „Alte Apotheke 1691“ in der Bochumer Innenstadt. Schon seit dem 17. Jahrhundert gehen hier Pillen, Tinkturen, Salben und wertvolle Ratschläge über die Ladentheke. Auch wenn das Kerngeschäft bis heute dasselbe geblieben ist, hat sich das Leistungsspektrum der Apotheke stark erweitert und stellt – gerade während der Corona-Krise – ganz besondere Anforderungen an Inka Krude und ihr Team. Ein „Krisengespräch“ über Risiken, Nebenwirkungen und Chancen – selbstverständlich kontaktlos via Internet von Schreibtisch zu Schreibtisch.
Frau Krude, was macht eine Apothekerin im Home Office?
Auch wenn wir den Löwenanteil unserer Arbeit in der Apotheke leisten, erledigen wir vieles vom Schreibtisch aus. Das umfasst Auswertungen, Bestellungen, Abrechnungen und verschiedene Planungen sowie die Betreuung unserer Online-Filiale. Und vor ein paar Wochen haben wir eine Tele-Sprechstunde ins Leben gerufen. Unsere Kund*innenkönnen über die Homepage einen Termin vereinbaren und wir sprechen dann von Angesicht zu Angesicht über eine verschlüsselte, sichere Internetverbindung.
Wie haben Sie die Arbeit während der Corona-Krise organisiert?
Wir arbeiten in zwei festen Teams, die sich wochenweise abwechseln. Es ist also immer die halbe Besetzung anwesend, denn wegen der begrenzten Räumlichkeiten und der 2-Meter-Abstands-Regelung bedienen wir momentan unsere Kund*innen nur zu dritt. Der Job ist für alle sowohl körperlich als auch psychisch gerade deutlich anstrengender als sonst.
Wie beeinflusst Corona Ihren Arbeitsalltag?
Ein Teil läuft wie gewohnt weiter, etwa die Belieferung verschiedener Heime und Pflegedienste oder das Substitutionsprogramm. Wir erledigen aber deutlich mehr Botendienste, was zunächst schwer zu bewältigen war, nun aber unter Kontrolle ist. Viele bestellen jetzt telefonisch ihre Medikamente oder nutzen den Shop auf unserer Homepage und werden von uns direkt beliefert.
Sind Sie als Führungskraft in der Krise besonders gefordert?
Ja, natürlich, schließlich fälle ich ja jede Entscheidung für das gesamte Team, also für insgesamt 35 Personen, davon acht Apotheker*innen, mit. Gerade für mich als Apothekerin ist Gesundheit natürlich das höchste Gut und ich bin verantwortlich für alle, die hier arbeiten, auch dafür, dass sie sich wohlfühlen und leistungsfähig bleiben. Wir haben früh mit der Teambildung angefangen. Aus meinem letzten Urlaub heraus habe ich das erste Teammeeting online einberufen und alle informiert, wie wir mit den neuen Anforderungen umgehen werden. Nun halte ich mit allen regelmäßigen Kontakt, um selbstauf Stand zu sein bzw. die anderen auf Stand zu bringen. Die gesamte Kommunikation ist eine neue Herausforderung für uns alle.
Apothekerin Dr. Inka Krude
Wie bringen Ihre Mitarbeiter*innen in dieser Situation ihr Berufs- und Familienlebenüberein?
Wir haben ganz unterschiedliche Varianten. Bei einer Mitarbeiterin zum Beispiel fängt der Mann morgens um 5 Uhr an zu arbeiten, und sie kümmert sich ums Kind. Tagsüber, wenn sie in der Apotheke ist, versorgt er es. Am späten Nachmittag geht sie nach Hause, übernimmt das Kind, und er arbeitet wieder. Wir haben für alle betroffenen Eltern Lösungen gefunden, aber jeweils ganz individuell und so flexibel, wie es irgend geht.
Dr. Inka Krude mit Frau Brakelmann im Video-Interview!
Hat die Krise auch positive Auswirkungen?
Auf jeden Fall. Die Arbeit in den wechselnden Teams vor Ort in der Apotheke funktioniert super mit reibungslosen Übergängen. Auch die Arbeit im Home Office haben wir optimiert, das lief zuvor eher halbherzig. Wir haben jetzt eine Liste von Aufgaben, die im HomeOffice gut erledigt werden können und haben schon viel geschafft. Und toll ist natürlich die positive Rückmeldung von außen, dass wir da sind und das Risiko eingehen. Auch die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen, die auf Grund bestimmter Rabattverträge manchmal etwas umständlich war, wurde in der Krise vereinfacht. Es ist für uns dadurch leichter, die Patient*innen mit den passenden Medikamenten zu versorgen.
Sie wollten ja schon als Kind Apothekerin werden. Was hat Ihnen auf dem Wegdahin geholfen, gab es Sprungbretter und Stolpersteine?
Als Einzelkind, das früh die Mutter verloren hat, war mein Vater sehr wichtig für mich. Er hat mich immer unterstützt, auch wenn andere mich ausgebremst haben. Die größte Hürde auf dem Weg in die Selbstständigkeit war die Finanzierung. In Bochum habe ich keine Bank gefunden, die sich auf mich einlassen wollte. Vermutlich wirkte ich zu jung und unerfahren und war auch wirklich zu blauäugig. Heute weiß ich: Bankgespräche zu führen, kann man lernen und trainieren!
Was raten Sie sonst noch jungen Frauen?
„Ausprobieren. Sich nicht unterkriegen lassen. Über den eigenen Tellerrand schauen. Eine Vision entwickeln und sie vor allem auch umsetzen. Es reicht ja nicht, die Dinge nur zu träumen, man muss auch in die Pötte kommen.“
Infos zur Alten Apotheke 1691
Die älteste Apotheke Bochums liegt mitten in der Innenstadt und wurde 1691 gegründet. Seit 2003 läuft sie unter der Leitung von Dr. Inka Krude. Schwerpunkte der Apotheke sind u. a. Cannabis, die Betreuung von HIV-Patient*innen, individuelle Arzneimittelherstellung, Onkologie und Pflegehilfsmittel. Insgesamt gehören 34 Mitarbeitende zum Team, davon 28 Frauen und 6 Männer.