Geguckt, gemacht und getan

medmehr ist ein Servicedienstleister, der Einrichtungen des Gesundheitswesens in medizintechnischer Hinsicht unterstützt. Dahinter steht ein Bochumer Unternehmen mit über 20 Mitarbeitenden – und vor allem eine starke Frau: die promovierte Bauingenieurin Dr. Mandana Banedj-Schafii. Wie und warum sie wurde, wer sie ist, hat sie uns im Interview erzählt. Ein bewegtes Leben zwischen Orient, Schwaben und dem Ruhrgebiet.


Mandana Schafiis Engagement, ihre überbordende Energie und Zielstrebigkeit erklären sich vor allem aus ihrer Geschichte. Die beginnt nicht erst 1975 mit ihrer Geburt in Teheran, sondern eigentlich schon viel früher. „Ich komme aus einer Familie, die immer wieder fliehen musste oder ausgewandert ist“, erzählt sie. Immer wieder gab es in ihrer Familienhistorie Neuanfänge: mütterlicherseits ihre Großeltern, die im Zweiten Weltkrieg aus Schlesien flohen, und auch ihr Vater, der Ende der 1960er Jahre aus dem Iran zum Studieren nach Deutschland kam, wo er ihre Mutter kennenlernte. Nach dem Studium zogen die beiden gemeinsam nach Teheran, wo Mandana und ihre Geschwister zur Welt kamen. Ihre Kindheit erlebte das Mädchen trotz der Revolutionswirren als harmonisch und liebevoll. Dreh- und Angelpunkt war die Großmutter, die trotz schwerer Schicksalsschläge ihre große Familie zusammenhielt und bis heute bewundertes Vorbild ist: „Ihre Power habe ich als Kind mitbekommen und gelernt: Du darfst nie abhängig von anderen sein, sondern musst auf eigenen Beinen stehen und etwas aus deinem Leben machen.“ Hinzu kam ein weiteres Schlüsselerlebnis: Als die 6-jährige Mandana beim Krämer Schlange stand und dem Mädchen hinter ihr stolz erzählte, dass sie nun bald in die Schule käme, brach diese in Tränen aus. Denn ihre Familie war arm, und ihre verwitwete Mutter konnte das Schulgeld nicht aufbringen. „In dem Moment wurde mir klar: Ich habe großes Glück, ich darf zur Schule gehen und etwas aus meinem Leben machen. Aber es gibt viele Menschen, die haben halt keine Wahl und keine Chance. Diese Erfahrung treibt mich bis heute an.“

 

Zwischen den Kulturen

In den 80er Jahren übersiedelte die Familie nach Schwaben. Ein Kulturschock für die damals 9-Jährige! Mit 14 Jahren kam sie, wie sie sagt, in ihre „erste Lebenskrise“. Neben der Pubertät machten ihr die Fragen nach dem Sinn des Lebens und ihrer Identität zu schaffen. Als die Familie in diesem Sommer Ferien im Iran machte, nahm der Vater, ein Agraringenieur, seine Kinder überall hin mit, auch in die Armenviertel: „Das hat mich schockiert. Nachdem wir dann kurz darauf bei einem Verwandten zu Besuch waren, der Architekt war und wunderbare Gebäude entworfen hat, reifte in mir die Idee, Bauingenieurwesen zu studieren. Ich wollte sozusagen die Welt retten, also armen Menschen ein Dach über dem Kopf sichern, und zwar mit ihnen zusammen.“ Um diesen Traum zu verwirklichen, begann sie nach dem Abi ihr Studium des Bauingenieurwesens an der Universität Stuttgart.

 

Erste Schritte im Berufsleben

Nach dem Studium begann die junge Frau ihre Berufslaufbahn im Forschungszentrum des iranischen Bauministeriums und wurde beauftragt, die erste Abteilung für Facility Management des Landes zu gründen. Dort merkte sie, dass sie doch „deutscher“ war, als ihr bewusst war. „Ich habe die Brezeln vermisst“, lacht sie. Schließlich siegte ihr Pragmatismus: „Irgendwann beschloss ich: Jetzt reicht’s. Ich bin einfach Mandana, und ich gehe meinen Weg. Seitdem geht’s mir gut. Ich trage halt zwei Kulturen in mir, Punkt.“

Zurück in Deutschland, begann sie in Karlsruhe ihre Dissertation zu ihrem zukünftigen Herzensthema: Optimierung der Prozesse im Krankenhaus. Um die Doktorarbeit zu finanzieren, hat sie, wie sie es nennt, „geguckt, gemacht und getan“. Ihr außergewöhnliches Geschick zu kommunizieren, Netzwerke aufzubauen und Menschen an einen Tisch zu bekommen, umschreibt sie lachend: „Ich bin schon manchmal eine Labertasche. Wenn ich eine Mission habe, wird jeder gepackt, den ich zu packen kriege.“

Nach vielen Stationen in Forschung und Lehre, in der Beratung sowie in der Industrie und auch in verschiedenen Positionen bei Entwicklungshilfeprojekten, startete Mandana Schafii mit zwei Technikern das Unternehmen medmehr. „Wir bieten den kompletten Service rund um medizinische Geräte, von der Beschaffung über die Wartung und Reparatur bis zur Entsorgung, wir begleiten den gesamten Lebenszyklus“, erklärt sie. Mittlerweile betreuen über 20 Mitarbeitende mehr als 500 Häuser deutschlandweit, darunter Krankenhäuser, Forschungszentren, Rehas, Tierkliniken, Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Hospize, Praxen und medizinische Versorgungszentren. Seit 2020 ist ihr Mann mit im Unternehmen und dort eine wichtige Säule. „Ohne seine Unterstützung wäre ich definitiv nicht dort, wo wir heute stehen“ sagt die zweifache Mutter.

Neben den operativen Dienstleistungen von medmehr schlägt Mandana Schafiis Herz für Forschungsprojekte. Sie ist fasziniert vom Konzept der Reallabore, einer Initiative des Wirtschaftsministeriums mit dem Ziel, Innovationen und gute Ideen in Deutschland zu behalten. „So entstand die Idee, ein gesamtes Areal zum Reallabor zu deklarieren und dort Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen zusammenzubringen.“ Sie gründete das „Green Health Lab“, in dem Raum für Experimente und Studien entstehen wird. Ein Beispiel: Wie könnte ein Bewohnerzimmer der Zukunft aussehen? Jeder darf mitmachen, muss nur nachweisen, was an den Produkten und Dienstleistungen nachhaltig ist und wie es zur Gesundheitsförderung beiträgt. Bereits seit vielen Jahren bringt sie sich aktiv in verschiedenen Verbänden mit ein und hat bei einer VDI-Richtlinienentwicklung zum Thema Green Hospital mitgewirkt: „Wir sind auf der Suche, wie wir noch nachhaltiger werden können.“ Dieses Engagement brachte ihr in diesem Jahr den Nachhaltigkeitsaward der IHK ein. Bis zum nachhaltigen Krankenhaus sei es noch ein weiter Weg, aber, so Schafii: „Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt“.

 

Frauen in MINT-Berufen

Für ihre eigene Karriere waren immer wieder Begegnungen und Kontakte entscheidend. Da war vor allem ihre Familie, aber auch immer wieder Unterstützer an Universitäten und in Unternehmen – Menschen, die sie inspiriert, für sie Weichen gestellt und Türen geöffnet haben.

Wie erlebt sie Frauen in MINT-Berufen? „Nun“, antwortet sie nachdenklich, „Frauen ticken in der Regel grundsätzlich anders. Sie sind vorsichtiger und leiser, hauen nicht ganz so auf den Tisch und drängen sich meist nicht in den Vordergrund. Frauen denken langfristiger und meist vorausschauender, sie berücksichtigen auch, was links und rechts liegt. Sie kommen meist nicht so schnell voran wie die Männer, weil sie eben noch 17 andere Sachen bedenken. Das liegt vermutlich sowohl in ihrer Natur als auch in der Erziehung und der Gesellschaft.“

Mandana Banedj-Schafii versucht auch insbesondere jungen Absolventinnen Einblick ins Arbeitsleben zu geben und sie zu fördern. „Gerne gebe ich auch Menschen eine Chance, die sonst schwieriger unterkommen, ältere Mitarbeiter, aber auch insbesondere zum Beispiel Frauen mit Migrationshintergrund. Sie haben es oft schwer in Unternehmen, da sie mit deren Kultur – und umgekehrt – nicht klarkommen. Ich versuche, beide Seiten in den Dialog zu bringen.“ Außerdem hat sie gerade einer jungen Frau zu einer Projektförderung im medizintechnischen Bereich verholfen und wird sie als Coach weiter begleiten. So gibt sie die Unterstützung, die sie selbst erfahren hat, an die nächste Generation weiter.

 

Ihre Botschaft: Springt euren Träumen hinterher!

Für Mandana Banedj-Schafii ist ihre Arbeit sichtlich nicht reiner Broterwerb, sondern auch Herzensangelegenheit: „Ich weiß, dass ich ein Riesenglück habe, mich weiterbilden, arbeiten und entwickeln zu können.“ Das sei keine Selbstverständlichkeit, und viele Menschen, insbesondere Frauen haben diese Möglichkeiten in vielen Ländern nicht . Auch in Deutschland stieß sie früher hier und da auf ein verkrustetes Rollenverständnis. Im ersten Semester wurden die Studentinnen von einem Professor der „alten Schule“ mit den Worten empfangen: „Wir wissen, dass ihr nur hier seid, um euch einen Ingenieur zu angeln“. Im Iran hieß es: „Wieso verschwendest du deine Zeit mit Forschungsprojekten, geh und such dir einen Mann“. Heute kann sie darüber lachen, aber damals nicht. Im Laufe ihres Lebens hat sie jedoch ihre eigene Art gefunden, mit patriarchalischen Widerständen umzugehen und sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen: „Man muss gewisse Dinge locker sehen und sich überlegen: Was will ich wirklich? Wie komme ich an mein Ziel?“

Mandana Banedj-Schafiis Botschaft an junge Frauen, die noch zur Schule gehen oder am Beginn einer Ausbildung stehen: „Probiert viel aus, seid offen, findet heraus, was euch glücklich macht. Und wenn das Technik ist, dann hört nicht auf die, die sagen, Technik sei nichts für Mädchen. Springt euren Träumen hinterher! Und wenn ihr mal hinfallt, registriert das und lernt was daraus, aber geht weiter euren Weg. Manchmal öffnen sich dann Türen, von denen man das nicht geglaubt hätte.“

Interview und Text: Bettina Brakelmann

Viktoriastr. 10
44787 Bochum
0234 610 63 186
competentia@bochum-wirtschaft.de